Neben Arterien und Venen gehören Lymphbahnen zum Gefäßsystem in unserem Körper. In der Haut, als größtem lymphatischen Organ beginnen die „initialen Lymphgefäße“ blind im Gewebe und nehmen fast die gesamte Flüssigkeit aus dem Gewebe incl. Eiweiße, Wasser, Fette, aber auch wichtige Zellen des Abwehrsystems, Bakterien und Viren auf. Sie transportieren die entstandene Lymphe zu den ca. 600-700 Lymphknoten unseres Körpers. In den Lymphknoten werden Abwehrzellen „programmiert“, sich mit Fremdkörpern auseinandersetzen und damit ist das Lymphsystems auch ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems. Ein großer Teil der Flüssigkeit wird „gefiltert“ und über die Venen weiter Richtung Herz transportiert.Der Lymphtransport erfolgt über unterschiedliche Druck- und Sogverhältnisse und wird durch umgebende Muskulatur  z.B. beim Laufen unterstützt. In den größeren Lymphbahnen verhindern Klappen den Rückfluss.

Lymphödeme

Störungen des Lymphabflusses können angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein und führen zu Schwellungen (Ödemen) der betroffenen Region.Primäre Lymphödeme entstehen durch genetische Veränderungen und bestehen entweder schon bei der Geburt, werden aber manchmal auch erst im Laufe des Lebens symptomatisch. Sie betreffen meist nur einen Arm, ein Bein oder eine Körperhälfte.Erworbene Ödeme entstehen zum Beispiel nach Krebsbehandlungen, Operationen, Entzündungen oder bei Lähmungen. Auch hierbei findet sich das Ödem in der betroffenen Region.Ödeme sind auch ein Symptom anderer Erkrankungen, wie Krampfadern, Herzkrankheiten, Nierenerkrankungen, allergische Reaktionen und Schulddrüsenveränderungen. Sie treten im Rahmen von Hormonveränderungen bei Schwangerschaften oder bei Überwicht auf. Auch Medikamente können Ödeme auslösen.

Therapie

Chronische Ödeme durch Lymphabflussstörungen verursachen nicht nur ein Schweregefühl und Schwellungen, sondern sie können auch zu Veränderungen der Haut mit Verdickung und eingeschränkter Beweglichkeit führen. Durch die Störung der Hautoberfläche und des Immunsystems können immer wieder Entzündungen auftreten. Deshalb ist eine frühzeitige und gute Therapie wichtig.Wenn Sie Ödeme haben, versuchen wir zunächst die Ursache herauszufinden.  Wenn die Ursachen nicht beseitigt werden können, wird eine symptomatische Therapie eingeleitet. Die sogenannte Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) besteht aus Manueller Lymphdrainage, Kompressionsbandagierung / Kompressionsbestrumpfung, Atem- und Bewegungsübungen in Kompression und Hautpflege. Inzwischen gehört auch die Anleitung zum Selbstmanagement dazu. Patienten sollten so viel wie möglich über ihre Erkrankung wissen und lernen, sich selbst zu behandeln. Gute Unterstützung bieten dabei auch Selbsthilfegruppen.

Manuelle Lymphdrainage

Die manuelle Lymphdrainage ist eine Behandlungsmethode, die von Physiotherapeuten in einer mindestens 4-wöchigen Zusatzausbildung mit Abschlußprüfung erlernt wird. Sie besteht aus verschiedenen Grifftechniken in einer besonderen Reihenfolge und beginnt immer am Brustkorb links oben. Der weitere Ablauf hängt von der Ödemlokalisation und den Ursachen ab.  Durch diese, sehr entspannende Therapie wird der Lymphabfluß zurück zum Herzen angeregt und dadurch das Ödem reduziert. Bei Herzerkrankungen kann die Behandlung das Herz überlasten und deshalb sogar gefährlich sein. Wenn so etwas nicht vorliegt, kann man sich diese angenehme Behandlung auch (wie eine Massage) auch selber gönnen oder (noch besser) schenken lassen.

Kompression

Um eine Flüssigkeitseinlagerung zu verhindern wird in der Anfangsphase ein Kompressionsverband angelegt und später Kompressionsstrümpfe angepasst, die dann täglich getragen werden. Die Form und Strickart der Kompressionsbestrumpfung hängt vom von der Art und dem Umfang des Ödems ab. Die Anpassung erfolgt durch speziell ausgebildete Bandagisten, Sanitätshausmitarbeiter oder vereinzelt auch in Apotheken. Kompressionsstrümpfe müssen bequem sitzen, sie dürfen nicht einschnüren oder rutschen. Wenn die Passform nicht optimal ist, müssen die Kompressionsstrümpfe umgetauscht werden. Zudem besteht derzeit eine 6monatige Garantie. Nach 6-12 Monaten ist das Material meist ausgeleiert und die Strümpfe sollten durch neue ersetzt werden.Zusätzlich kann apparative Kompression angewendet werden.  Ein Gerät zu Erprobung ist in der Praxis vorhanden.Für eine erfolgreiche Therapie ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt, Physiotherapeut, Sanitätshaus und Patient unbedingt erforderlich.

WICHTIG: In Deutschland gibt es für Ärzte keine Zusatzbezeichnung „Lymphologie“. Das Spezialwissen können sie auf Kongressen oder durch Fachliteratur erwerben. Ärzte der Fachrichtungen Phlebologie, Angiologie, Gefäßchirurgie und Hausärzte sollten die Kenntnisse haben. Die Verordnungsmöglichkeit von Manueller Lymphdrainage ist im Heilmittelkatalog festgelegt und ist nicht an besondere Fachärzte gebunden.

Bei Erstvorstellung bringen sie bitte alle Unterlagen, die sie bisher wegen medizinischer Behandlungen haben mit. Wenn sie Kompressionsstrümpfe haben sollten diese getragen werden, damit die Passform und die Wirksamkeit beurteilt werden können.

Lipödem

Das Lipödem ist eine Erkrankung, die erst seit einigen Jahren bekannt ist.  Sie betrifft fast ausschließlich Frauen und beginnt oft in Zeiten hormoneller Umstellung. Typisch ist eine symmetrische verstärkte kissenartige Fettanlagerung mit starken Schmerzen. Die Fettanlagerung ist meist regional begrenzt und betrifft z.B. die Hüften bei schlankem Oberkörper oder die Arme. Hände und Füße sind dabei ebenfalls schlank. Neue Erkenntnisse zeigen, dass das Lipödem keine Lymphabfluss-Störung macht.

Viele Frauen haben zusätzlich eine Adipositas, die ebenfalls Schmerzen, Schwellung und Neigung zu Blutergüssen verursachen kann.  Bei Gewichtreduktion verschwinden die Beschwerden.

Es gibt aber auch Frauen, die eine verstärkte regionale Fettanlagerung ohne Schmerzen haben. Das wird als Lipohypertrophie bezeichnet und wird oft als ästhetisch störend empfunden, gilt in manchen Ländern aber als Schönheitsideal.

Therapie des Lipödems ist individuell und besteht aus Kompressionsbestrumpfung mit meist flach gestrickten Stümpfen, Entspannungsübungen und ggf. Schmerztherapie.

Die Körperform kann am schnellsten durch eine Fettabsaugung (Liposuktion) geändert werden. Viele Patientinnen beschreiben anschließend eine deutliche Schmerzlinderung oder Schmerzfreiheit. Ein Teil der Frauen benötigt aber auch nach einer Liposuktion weiterhin Kompressionsstrümpfe.

Wenn gleichzeitig ein Übergewicht oder Adipositas vorhanden ist, sollte unbedingt eine ärztlich begleitete Gewichtreduktion mit Ernährungsumstellung erfolgen. Moderne Umstellung bedeutet individuelle Ernährung, die auch etwaige weitere Krankheiten berücksichtigt. Wenn trotzdem das Gewicht weiter ansteigt, sollten operative Eingriffe am Magen angedacht werden. Studien zeigen gute Langzeitergebnisse und auch hier wird mit jedem Kilo weniger ein Rückgang der Beschwerden berichtet.

Nach einer neuen Relegung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G BA) wird die Liposuktion bei Lipödem im Stadium 3 (dazu gehören überhängende Hautwammen) bis zu einem BMI (Body Mass Index) bis 40 von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Bei einem BMI zwischen 35 und 40 ist eine 6 monatige Gewichtsbehandlung verpflichtend. Die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie und die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie halten Liposuktionen bei einem BMI über 32 für sehr riskant und empfehlen sie für diese Patientinnen nicht.